Die Berge der Bibel

Von Hans Friedrich Müller (Büdingen/Deutschland)

Wenn nach den Namen der Berge in der Bibel gefragt wird, müssen wir zweierlei bedenken:

Die Bibel gibt es nicht, denn zum einen erkennt der Mensch mosaischen Glaubens nur den ersten Teil des Buches, der von den Christen Altes Testament genannt wird, als „Heilige Schrift“ an und spricht vom „Gesetz und den Propheten“. Zum anderen besteht die Bibel als Ganzheit ja geradezu aus einer Bibliothek von Büchern, die durch die Jahrhunderte hindurch entstanden sind. Das gilt für das ganze „Buch der Bücher“, also für das Alte wie für das Neue Testament.

Da ich nicht als jüdischer Rabbiner, sondern als christlicher Theologe den Versuch unternehme, zum Konferenz-Thema „Die Namen der Berge“ zu sprechen, spreche ich im allgemeinen von den „Namen der Berge in der Bibel“.

Bei den Völkern und Stämmen im Vorderen Orient sind Namen mehr als nur „Rufmittel“.

Einen Namen darf dort wie hier nur der geben, der die Vollmacht dazu hat. Beispiel: Im Schöpfungslied im Buch Genesis, also dem 1. Buch Mose, bekommt der Mensch den Auftrag, die Tiere mit Namen zu benennen. Dieses Recht wird ihm von Gott angetragen. So übt der Mensch durch diese übertragene Aufgabe einen Herrschaftsauftrag aus.

Weitere Beispiele zur Bedeutung der Namensgebung: Eltern haben das Recht (und die Pflicht), ihrem Kind einen Namen zu geben. Im Namen drückt sich manchmal eine Erwartungshaltung aus (Kain in Gen.4,1). Namensgebung kann aus einer Gemütsverfassung heraus geschehen (Benjamin, Ben-Oni). Der Name bedeutet oftmals „Person“.

Nach Aussagen des Alten Testaments (AT) hat Gott sich selbst einen Namen gegeben: Er offenbart sich selbst seinem Volk: J a h w e . Indem er seinen Namen nennt, gibt er sich selbst kund, gibt sich selbst als Schöpfer seinem Geschöpf in die Hand. Er stellt sich nicht mit der Märchengestalt Rumpelstilzchen gleich, die da spricht: „Ach, wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß!“

Nicht-Theologen sind manchmal erstaunt, daß Berge in der Bibel keine Götternamen tragen. Namen oder die Namen Gottes werden aber auch sonst in der Bibel im Zusammenhang mit „Gott“ selten genannt. Für „Gott“ selbst werden im Hebräischen drei Wörter gebraucht: el, äloah, älohim.

Diese Wörter haben eine gemeinsame Wurzel, die soviel wie „vorn sein“, „stark sein“ bedeutet, doch die Bedeutung ist nicht mehr eindeutig zu klären.

„el“ wird oft in Verbindungen gebraucht: Gott der Höchste (Gen.14,18), Der allmächtige Gott (Gen.17,1)

Daß die Mehrzahlform „älohim“ etwa 2500 mal vorkommt, läßt sich zum Teil nur dadurch erklären, daß es sich um „eine altertümliche Redeform in feierlichem Rahmen“ zu handeln scheint.

Merkwürdig ist, daß „älohi“ verschiedene Bedeutungen haben kann: Gott, ein Gott, der Gott, Götter, die Götter.

Aber nicht nur in dieser Aussage liegt begründet, daß Berge in der Bibel keine Götternamen tragen. Wenn ich versuche, dem Thema „Namen der Berge in der Bibel“ näher zu kommen, möchte ich mit dem Berg – oder richtiger gesagt – mit dem Gebirge beginnen, an dessen Fuße sich sicherlich zum erstenmal die aus Ägypten ausgezogenen sogenannten Mosesscharen sammelten. Somit beginnen wir im Süden des Landes auf der Halbinsel, die nach jenem Berg Sinai benannt ist.

Der Berg Sinai

Der Auszug der kleinen Gruppen aus Ägypten erfolgte zwischen 1250 und 1200 v. Chr. In den Berichten, die im VIII. Jhdt v.d.Zw. festgehalten sind, wird der Name „Sinai“ und danach der Name „Horeb“ genannt. Wann die Namensgebung erfolgte und welcher Berg es genau war, ist wissenschaftlich umstritten. Die Ortslage spiele aber sicherlich keine Rolle, ich bin davon nicht ganz überzeugt.

Neuere Forschung benennt den gesamten Gebirgszug „Horeb“, nicht „Sinai“ – also umgekehrt zu dem, was ich noch gelernt habe. Jedenfalls: war es das Tal vor der höchsten Erhebung des Gebirges und dieser Berg zunächst das Ziel des „wandernden Gottesvolkes“? War es die erste gemeinsame Station auf der Wanderung durch die Wüste?

Professor Maiberger schreibt im „Theologischen Handwörterbuch zum AT“ in Spalte 826:

„Fast alle rechtlichen und kultischen Satzungen werden nachträglich auf den Sinai zurückgeführt, man errichtete ein großartiges , längst nicht mehr auf historischen oder topographischen Erinnerungen beruhendes theologisches Lehrgebäude. Der Sinai war immer mehr zu einem die irdischen Regionen überragenden ideellen Berg geworden, in dem Israel den ,Gipfel` seiner Lebensordnung und Weisheit verehrte.“

Renger teilt die Sinaigeschichte wie sie beim Jahwisten ( so genannt, weil er für den Gottesnamen immer das Wort JHWH-Jahwe gebraucht) steht, in drei Abschnitte auf:

1. Teil: Auf dem Gipfel des Berges
Jahwe steigt herab auf den Sinai vor den Augen des Volkes, das am Fuße des Berges lagert. So wird der Berg zum Ort der Theophanie. Exodus 19.
2. Teil: Unterhalb des Berges – also nicht auf dem Berg – verrichtet das Volk ein Opfer für JHWH (Jahwe).
3. Teil: Feierliche Verheißung JHWHs für das Volk.

Diese klare Einteilung ist im „Theologischen Wörterbuch zum AT“, Kohlhammerverlag Stuttgart, Bd. 5 zu lesen. Liest man die ganze Geschichte zum Sinai, so ist zu erkennen, wie ein „Gottesberg“ zum „Heiligen Berg“ wird. Nicht nur an diesem Beispiel läßt sich aufzeigen, wie sich um Berge ein Mythos bildet. Solche Beispiele finden sich – wie wir schon erfahren haben und erfahren werden nicht nur in der jüdisch-christlichen Literatur.

Bei den Hindus und den Buddhisten ist der mythische Berg der Sumero. Es wird erzählt, der Urfluß Ganges flösse vom heiligen Gipfel des Kumaon Himalaja nach allen vier Richtungen des Himmels. Für die Schamanen in Kalifornien ist der Cuchama heilig und von Mythen umgeben. Für die Aborigines in Australien gibt es den heiligen Berg, den Ayers Rock.

Wie sind „Berge der Bibel“ religionsgeschichtlich einzuzordnen?

Wie in allen Religionen der Welt, spielen heilige Berge auch in der Bibel eine Rolle. Ein wesentlicher Unterschied zu fremden Religionen besteht darin, daß Berge, die in der Bibel genannt sind, keine Götternamen tragen. Erstens soll niemand den Namen Gottes unnütz gebrauchen – doch wäre bei der Nennung des Bergnamens unter Umständen Mißbrauch im Spiel.

Wie steht es mit den Berggöttern?

Im alten Orient, im Umfeld der Mosescharen, dachte man an Berggötter. Diese Berggötter herrschten allerdings nur in begrenzten Gebieten. Sie waren auch nur in diesen Gebieten wirksam. Mit einem solchen „Berggott“ hätte das „Volk unterwegs“ nichts anfangen können. An einer Stelle des AT könnte sich die Sinai-Horeb-Tradition an die Umwelt anschließen, wenn man davon ausgehen darf, daß die Berichte vom Sinai sehr alt sind und dennoch spät schriftlich fixiert wurden und Martin Luther in seiner Übersetzung den Namen „Jahwe“ nicht nannte. Nur an zwei Stellen aus dem 1. Buch der Könige scheint es mir, als könnte da von einem „Berggott“ die Rede sein. Zu dieser Zeit wußten die Scharen noch nicht, welch lange Zeit ihnen in der Wüste bevorstand.

Ich möchte die beiden Stellen zitieren:

1. Könige 20,23: „Denn die Knechte des Königs von Syrien sprachen zu ihm:

Ihre Götter sind Berggötter, darum haben sie uns überwunden. O, daß wir mit ihnen auf der Ebene streiten müßten. Was gilt’s, wir müssen sie überwinden.“ („[…] ob wir dann nicht stärker sind als sie“, übersetzt Martin Buber.)

1. Könige 20,28:

„Abermals trat der Mann Gottes heran, er sprach zum König von Israel, sprach: So hat ER gesprochen: Dieweil die Aramäer gesprochen haben: ER ist ein Gott der Berge, nicht ist ER ein Gott der Ebenen, gebe ich all dies Getümmel in deine Hand, erkennnen sollt ihr, daß ich es bin.“ (Martin-Buber-Übersetzung)

Wie kommt es zum „heiligen“ Berg in der Bibel?

Obwohl der Berg Sinai für die Menschen des Alten Bundes, die Juden, wie später auch für die Menschen des Neuen Bundes, die Christen, wichtig ist, wird „Sinai“ als kleinste Gestalteinheit in der Biblia hebraica nur fünfmal genannt. In einer Komposition kommt er sechzehnmal vor: „har sinai“ = „Berg Sinai“, oder einfach „hahar“ = „der Berg“. Jeder Israelit weiß, welcher Berg, nämlich der Sinai, gemeint ist.

Ab dem fünften Buch Mose, dem Deuteronomium , steht für diesen Berg der Name H o r e b .Manche Wissenschaftler halten diesen Namen für den älteren (s.o.), und erst, nachdem sich Gott dem Mose offenbart hatte, wird der Berg senöh, „sinaj“ genannt. Darauf komme ich gleich zurück.

Da beide Namen gebräuchlich sind, habe ich im Unterricht (als Pfarrer die Red.) immer vom „Horeb“ gesprochen, wenn ich den einzelnen Berg, den Gipfel also, mit den wichtigsten Geschehnissen gemeint habe, vom „Sinai“, wenn ich den Gebirgszug meinte. Da ich das schon als Student so hielt, hat mir mein theologischer Lehrer für AT in Wien, Professor Georg Fohrer, auf meine Anfrage hin, zugestimmt. In der Gemeinde oder bei Vorträgen, in denen es um „Mose und die zehn Gebote“ auf jenem Berg geht, spreche ich einfach vom „Berg Mose“, „Djebel Musa“.

Zur Etymologie „sjnaj“ kann nur wenig gesagt werden. Es ist noch nicht einmal klar, ob dieses Wort aus dem Hebräischen oder wenigstens aus dem Semitischen stammt. Da ein Wortstamm im Hebräischen aus drei Radikalen besteht, wissen die Sprachwissenschaftler nicht, wie sie mit dem „j“ umgehen sollen.

Sollte „sjnaj“ aus dem Syrischen kommen, weiß man, daß es dort den Stamm „sjna“ gibt. Dieser Stamm bedeutet „Mond“. Dann würde der Sinai seinen Namen dem Mondgott Sin verdanken.

Im Aramäischen kommt der Stamm „sejana“ vor und bedeutet „Schlamm“ oder auch „Lehm“. Unwillkürlich muß ich an den Schöpfungsbericht denken.

Im Aramäischen wie auch im Syrischen kommt eine Kombination vor, die ähnlich auch im Hebräischen vorkommt und „Dornbusch“ heißt. Das würde allerdings schon eine Deutung sein, ein Hinweis auf den Dornbusch, der brannte, sich aber nicht verzehrte.

Im Arabischen kommt das Wort „sana“ vor. Es hat zwei Bedeutungen: Einmal heißt es in der Übersetzung „Sennastrauch“, zum anderen auch „glänzen, strahlen, leuchten“, dann auch als Substantiv gebraucht „Glanz, Strahlen, Leuchten“.

Wie umstritten die Wortdeutung ist oder – richtiger gesagt – wie intensiv sich Sprachforscher um das Wort „Sinai“ bemühen, kann zum Beispiel in der Concordantiae Hebraicae aus der Mitte des XIX.Jahrhunderts ersehen werden, wo J. Fürst meint, aus dem im AT gebräuchlichen Stamm „swn“, was so viel heißt wie „zackig, spitzig sein“, „sinai“ ableiten zu sollen. Dann wäre zu übersetzen „Felsenklüftiger, Klippenvoller, Zackiger“.

Wie sehr die etymologischen Fragen die Gemüter bewegen, geht sicher auch daraus hervor, daß wie selten sonst auch in den neueren Lexika Literatur älteren Datums genannt wird.

Fest steht jedenfalls, daß der Sinai/Horeb keinen Gottesnamen trägt, neben dem höchsten Berg des Gebirgszuges, dem Katharinenberg (2637 m), ist der Djebel Musa (2285 m) allerdings mit dem Namen eines „Gottesmannes“ belegt, mit dem Namen des Mannes, der das Volk aus der Knechtschaft in Ägypten geführt hat.

Der Berg Zion

Ein weiterer Berg, der aus der Bibel heraus eine Bedeutung für jüdisch-christliches Denken hat, ist der Berg Z i o n , die höchsten Erhebung im judäischen Bergland.

Als König David von Hebron aus, wo er zum König gewählt worden war, nicht nach Sichem ziehen wollte, wohin er berufen war, zog er zu den Jebusitern, die an einem Abhang des Kidrontales wohnten. Nach dort zog er mit seinem Hofstaat. Nach unseren heutigen Maßstäben und Anforderungen an eine Hauptstadt sagen wir: Von der Infrastruktur und von der geographischen Lage her völlig ungeeignet.

Auf den höchsten Punkt nördlich der Jebusiter und zugleich dem höchsten Punkt des judäischen Berglandes baute König Salomo von 970(960) bis etwa 930(920) den ersten Tempel, den David schon geplant und das Baumaterial ausgesucht hatte. Dieser Tempel und der Tempelberg wurden zum größten jüdischen Heiligtum.

Der Tempel zu Jerusalem auf diesem Berg Zion hatte mit allen anderen Tempeln im Nahen Osten eins gemeinsam: Er war kein Bethaus und kein Versammlungsraum für die Gemeinde, sondern ein Haus „für den Namen des Herrn“(1.Kö.3,2). Der Tempel war Wohnort Gottes und Ort, an dem die Priester heilige Handlungen vollzogen. So wie der Tempel durch den Namen Gottes geheiligt wurde, wurde der Berg durch den jeweiligen Tempel geheiligt.

Im Tempel wurde die Bundeslade aufbewahrt, die Bundeslade, die das sichtbare Zeichen der Verbindung zwischen Gott und seinem auserwählten Volk war.

587 wurde Jerusalem belagert und 586 v. Chr. erobert und der Tempel zerstört. Die herausgehobene Stellung des Berges blieb bestehen und drückt sich bis in unsere Zeit durch die Sehnsucht frommer Juden aus, nach dort zu pilgern oder dorthin zurückzukehren. 517/516 v.Chr. wurde der Zweite Tempel eingeweiht. Dieser wiederum wurde 70 n.Chr. zerstört. Die Schar, die sich um den Zimmermannssohn Jesus von Nazareth gesammelt hatte, übernahm die Tradition auf dem Berg Zion. Durch diesen Berg als heiligen Berg wurde ganz Jerusalem als „heilige Stadt“ angesehen.

Als der Tempel zerstört war und die Bewohner Jerusalems in alle Welt vertrieben wurden, bauten die Juden (so genannt ab 70 n.Chr.) an den neuen Wohnorten Synagogen, die Schule und Versammlungsraum der neu angesiedelten Gruppe zugleich war, wenn es irgend ging , auf die höchste Erhebung des Ortes.

Der Name „Zion“ kommt im Alten Testament 152 mal vor, im Neuen Testament nur fünfmal. Die Sinaitradition wird am Zionsberg fortgeführt. Im Galaterbrief heißt es:

„Diese Worte bedeuten etwas.Denn das sind die zwei Testamente: eins von dem Berg Sinai, das zur Knechtschaft gebiert, welches ist die Hagar; denn Hagar heißt in Arabien der Berg Sinai und ist ein Gleichnis für das Jerusalem dieser Zeit , das dienstbar ist mit seinen Kindern. Aber das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, das ist unsere Mutter.“ (Gal.4,24)

Der Sinai und der Zion sind einander zugewiesen, indem sie geistig einander gegenübergestellt werden wie Freiheit und Gesetz. (Hebr. 12, 18 24) Auf dem Berg Zion befindet sich ein Felsen, auf dem der Tradition nach Abrahams Vertrauen auf den Prüfstand gestellt wurde („Opferung des Sohnes“). Für die Menschen muslimischen Glaubens ist von diesem Felsen aus Mohammed mit seinem Schimmel direkt in den Himmel geritten. Über diesem Felsen wurde der weltberühmte Felsendom erbaut.

Dem Zionsberg östlich gegenüber liegt der Ölberg. Auch der Ölberg trägt keinen Gottesnamen, obwohl ja an seinem Fuße der Garten Gethsemane liegt, der in der Leidensgeschichte Jesu eine große Rolle spielt. Der einstmals mit Ölbäumen bepflanzte Berg gilt als der Ort der „Himmelfahrt Jesu“ (Apg.1,12). Nach Markus hielt Jesus auf dem Ölberg mit Hinweis auf den gegenüberliegenden Tempel die sogenannte „Endzeitrede“.

Jesus zog sich nicht nur öfters in die Wüsteneinsamkeit zurück, sondern begab sich dann und wann auf einen Berg. Die Namen werden, mit wenigen Ausnahmen, nicht genannt. Das wesentliche Geschehen wird verkündigt. Da heißt es: Er betet. (Mk.6,46 par.)

„Und da er sich von seinen Jüngern gelöst hatte, ging er hin auf einen Berg zu beten.“ Die Berufung der Jünger geschieht auf einem Berg. Markus 3 (Matth. 10 und Luk. 6): „Und er ging auf einen Berg und rief zu sich, welche er wollte. Und die gingen hin zu ihm.“

Obwohl der Name Zion im Neuen Testament so wenig vorkommt, hat dieser Berg einen hohen Symbolgehalt durch das ganze Mittelalter und das XIX. und XX, Jahrhundert hindurch. Der Zion wird in unzähligen geistlichen Liedern besungen.

Für den Aufstieg nach Jerusalem gilt, was auch für den Aufstieg auf andere Gipfel mit Tempeln oder anderen Heiligtümern gesagt werden muß: Der jeweilige Aufstieg auf den Gipfel ist der Beginn des Weges, der die Begegnung mit Gott vorbereitet (Aufstiegspsalmen). Im „Wörterbuch biblischer Bilder und Symbole“, erschienen im Köselverlag, ist zu lesen, daß in jedem katholischen Gottesdienst die Besteigung eines heiligen Berges bzw. die Vorbereitung auf eine Begegnung mit Gott durch den Priester symbolisch vollzogen wird. Ich zitiere: „Im Stufengebet der Messe betet der Zelebrant die Psalmworte <Sende dein Licht und deine Wahrheit, daß sie mich leiten und bringen zu deinem heiligen Berg und zu deiner Wohnstatt>.“ (Ps. 43,3)

Der Berg Tabor

Als weiteres Beispiel eines Berges, der in der Bibel genannt ist und der auch keinen Namen eines Gottes (oder einer Göttin) trägt, muß der – nach Meinung von Kennern und Fachleuten des Nahen Ostens „schönste Berg des Nahen Ostens“ genannt werden: der T a b o r. 588 m ragt er mitten aus der Esdralon-Ebene heraus, dieser Kugel- oder Kegelberg. Im Hebräischen heißt dieser Berg „Ha Tavor“, im Arabischen „Jabal At-Tur“. Der Prophet Jeremia schreibt (46,18):

„So wahr ich lebe, spricht der König, der Herr Zebaoth heißt: Jener wird daher ziehen so hoch, wie der Tabor unter den Bergen ist und wie der Karmel am Meer ist.“

Dieser Vers steht innerhalb der Weissagungen gegen Agypten und ist Israel zum Trost gesagt. Dieser Berg ist schon im 13. Jahrhundert v.Chr. in ägyptischen Inschriften des Pharaos Ramses II. genannt.

Im XI. Jhdt. besiegte Barak, der General der Israeliten, den Anführer der Kanaaniter, Sisera.

Zu dem Kampf und Sieg war er durch die Richterin und Prophetin Deborah inspiriert worden (Ri 4 und 5). Kurz zusammengefaßt könnte dieses Lied so wiedergegeben werden:

„Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen.“

Die Nennung dieses Berges in ägyptischen Texten und in den Prophetenschriften Israels machte diesen Berg so bedeutend – von der Schönheit des Berges ganz abgesehen, – daß die Christen die Verklärung Jesu auf diesen Berg verlegten (Matth. 17, 1 13, Mk.9, 2-13, Lk. 9,28 36).

Im IV. Jhdt.n.Chr. wurden dort die ersten Kirchen gebaut. Auf der Spitze steht eine Kirche der Franziskaner, ebenso ein Hospiz der griechisch-orthodoxen Kirche. Die Kreuzfahrer haben den Berg mit starken Mauern befestigt. Heute liegt am Fuß des Berges ein arabisches Dorf, eine 6 km lange Straße führt auf den Berg.

Vom Tabor aus nach Nord-West-West, also in Richtung Mittelmeer an Megiddo vorbei, kommen wir in ein Karstgebirge, zu dem Har K a r m e l.Von hier gibt es ganz neue Grabungsberichte, die noch nicht veröffentlicht sind.

Dieser Gebirgszug ist geologisch und hydrologisch sowie siedlungsgeographisch bisher schon sehr gut untersucht. Die höchste Erhebung ist das Kap Karmel mit 546m Höhe. In den Karmelhöhlen wurden bis in die letzten Wochen hinein Siedlungsschichten gefunden. Es wurden menschliche Skelette entdeckt, die wahrscheinlich aus dem Beginn der letzten Eiszeit stammen. Es sollen Geschöpfe sein, die zwischen den Neandertalern und dem homo sapiens stehen.

Eine Übersetzung des Bergnamens könnte „Baumgarten“ sein. Der Höhenzug ist 20 km lang und zieht sich bis an die Küste des Mittelmeeres. Auf diesem Berg wurde im Freien der Naturgott Baal verehrt. Während der nicht selten vorkommenden Trockenperioden wurde er um Regen angefleht. Die Baalspriester und die Schüler des Propheten Elija wollten jeweils ihren Gott als den stärksten und besterhörenden Gott darstellen. Sie gerieten in Streit. Dieser Bericht steht in Könige 18, 20 46.

Ein bedeutender Schüler des Elija, Elischa, zog sich wie viele andere in die Stille der Bergwelt zurück. Einsiedeleien lassen sich belegen.

Der Berg Garizim

Ein Berg wird als Beispiel dafür genannt, wie heilige Orte auf einem Berg nicht inhaltlich, aber ortsgebunden weiterleben: der Berg G a r i z i m, der Har Gerizim, arabisch Djebel et-Tur. Er ist 881 m hoch und liegt neben dem Berg Ebal (938 m) in der Nähe von Sichem/Nablus.

Die jüdische Gruppe der Samaritaner hatte Jerusalem verlassen, um nicht das Mischeheverbot einhalten zu müssen, anders gesagt, um nicht gegen dieses Verbot, das für sie einem Gebot gleich kam, verstoßen zu müssen. Sie nannten diesen Berg, auf dem im 5. Jahrhundert ein Tempel errichtet wurde, „Berg des Segens“.

Von diesem Berg aus soll beim Bundesschluß der Segen über Israel gesprochen werden. Sie übersehen den bereits unter Mose vollzogenen Bundesschluß mit dem Volk Gottes und erwarten den endgültigen und dauerhaften Segen bei der Ankunft des Messias, dem sie entgegensehen.

Hyrkanos I. zerstörte 129 v. Chr. diesen Tempel. Fast 200 Jahre später 132 n. Chr. wurde über zerstörten Tempel ein Tempel für Zeus errichtet. Dieser Tempel wurde wieder zerstört im 4. Jahrhundert n. Chr. Die Heiligkeit dieses Ortes blieb aber in Erinnerung.

In byzantinischer Zeit wurde auf dem Gipfel eine Kirche errichtet, die der Mutter Gottes geweiht wurde. Die Grundmauern aus dem Jahre 484 n. Chr.sind erhalten. Kaiser Justitian ließ 529 dort eine Festung bauen. Trotz dieser ständigen baulichen Veränderungen: Die Gemeinde der Samaritaner feiert heute noch ihr Passahfest auf diesem Berg.

Der unbekannte Berg

In einem letzten Abschnitt spreche ich den Berg an, den wir nicht kennen, auf dem aber „die Berg-Predigt“ oder „BergRede“, deren Inhalt bekannt ist und unter anderem von Karl Barth in seiner „Kirchlichen Dogmatik II,2“ behandelt ist. Die Rede ist bekannt, der Berg nicht.

Beim Evangelisten Lukas wird diese „Rede“ „Feldrede“ genannt. Ich zitiere Julius Schniewind „Das Evangelium nach Matthäus“ in der Reihe „Das Neue Testament Deutsch“:

„Wir reden von der <Berg>-Predigt wegen des Eingangs unseres Kapitels. Bei Lukas ist die Ortsschilderung ein wenig anders. Jesus steigt auf den Berg um zu beten (6,12), beruft am anderen Morgen seine zwölf Jünger; auf einem ebenen Platz (Lk. 6, 17 ff) ist eine Volksmenge und eine Schar von Jüngern, und nun spricht Jesus (20 ff), ausdrücklich zu seinen Jüngern gewandt. Man fragt, ob solche Ortsangaben wie die unseren ursprünglich zu den Überlieferungen der Reden und Geschichten gehören oder ob sie erst später hinzugefügt worden sind. Man wird hier nicht grundsätzlich entscheiden dürfen; es kann sein, daß solche Angabe zur frühesten Überlieferung gehört, daß sich also, nach psychologischen Gesetzen, bestimmte inhaltliche Überlieferungen aus dem Gedächtnis bestimmter Ortserlebnisse erhielten, aber die Ortsangabe kann auch (in der Tat) spätere Ausmalung sein.“

Was könnte die Festlegung der Rede auf einen Berg bedeuten? Entscheidende Sätze für das Volk des Alten Bundes wurden am Sinai gesprochen. Die auf dem Berg empfangenen Sätze gab Mose seinem Volk im Tal (in einer „Feld-Rede“?) bekannt. Da die Wurzeln des Christentums im Judentum liegen, könnte hier eine Verbindung gesehen werden, die ganz bewußt hergestellt werden soll.

Die Namen der Berge (oder des Tales?) spielen eine untergeordnete Rolle. Die da und dort ausgesprochenen Worte und Deutungen sind entscheidend. Beispiele, dargestellt an den Worten der „Bergpredigt“: Günter Dehn hat die Bergpredigt als die „vernichtendste aller Predigten“ bezeichnet, die jemals gehalten wurde. Romano Guardini meint, die Bergpredigt sei die „Erschütterung der Welt vom Himmel her“. Gandhi kannte die Bergpredigt und kam von ihr her zur Idee der Gewaltlosigkeit. Otto von Bismarck stellte in seiner juristischen Doktorarbeit die Frage, ob man mit der Bergpredigt überhaupt die Welt regieren könne. Leo Tolstoi wurde aus den Worten der Bergpredigt so erschüttert, daß er die Offiziers- und Gutsbesitzerlaufbahn aufgab und in Armut durch das Land wanderte. Martin Dibelius bezeichnet diese Predigt als „Schatzkammer geistlicher Energie“.

Worte von heiligen Berge können „herausrufen“, das heißt „heiligen“. Zu dem Thema „Namen der Berge“ könnte das Institut eine weitere Forschung betreiben unter dem Thema: „Worte von Bergen aus gesagt“.

Wo wohnen die Götter? Wo und wem geben sie Hilfe? Wem gelten die Worte? Der Psalmist betet im 121. Psalm als Bergbesteigungspsalm hinauf zum Heiligtum: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe?“ Und er gibt sich selbst die Antwort: „Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“

 


Literatur

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Frieling, R., Der heilige Berg, in: Theologie und Kultus 4, Stuttgart 1930.

Fritz,Volkmar, Tempel und Zelt, Studien zum Tempelbau in Israel und zu dem Zeltheiligtum der Priesterschrift (WMANT 47,1977).

Galling, Kurt, Textbuch zur Geschichte Israels, Tübingen 1968.

Hölscher,G., Sinai und Choreb, in: Festschrift für R.Bultmann 1949, S.127-132.

Lexikon der Bibel, Brockhausverlag, hrsg. Fritz Rienecker, 1969, 7.A. (1.A.1969), Sp.201.

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Lohmeyer-Schmauch, Das Evangelium des Matthäus, Göttingen 1958.

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Noth, Martin, Geschichte Israels, Göttingen, 1969,7 .A., S.120-130.

Praktisches Bibellexikon, Herder-Verlag Freiburg, 1969 (Thema „Berggötter“).

Rad, Gerhard von, Theologie des Alten Testaments, Kaiser-Verlag, München 1969, 2 Bde.

Reallexikon für Antike und Christentum, Hiersemann-Verlag, Stuttgart 1954, Bd.II.

Schniewind, Julius, Das Neue Testament Deutsch, Band 2: Das Evangelium nach Matthäus, Göttingen 1954, 7.A.

Zenger,E., Israel am Sinai – Analysen und Interpretationen zu Exodus 17-34, Altenbergen 1982.