Die Namen der Berge im Südlichen Afrika

Von Peter Horn (Kapstadt)

„Die Natur braucht keine Namen. Das weiß Herr Geiser. Die Gesteine brauchten sein Gedächtnis nicht“, schreibt Max Frisch in Der Mensch erscheint im Holozän. Die Berge brauchen natürlich keine Namen. Es sind die Menschen, die Namen brauchen, um sich in der Wirklichkeit zurecht zu finden. Und daher ändern sich die Namen mit den Menschen, die in der Nähe eines Berges wohnen.

Wie der Australopithecus die Berge seiner südafrikanischen Heimat nannte, ob er überhaupt schon Namen hatte, wissen wir nicht. Auch die nicht, die jene ersten anatomisch modernen Menschen den Bergen gaben, die vor 190 000 Jahren die „Border Cave“ hoch in den Lebombo-Bergen in dem abgelegenen Ingwavuma-Distrikt im nördlichen KwaZulu-Natal in Südafrika bewohnten. Dort lebten moderne Menschen fast ununterbrochen bis in die jüngste Vergangenheit. Das Skelett eine Kindes, 190 000 Jahre alt, mehr als 69 000 Steinwerkzeuge, Pflanzenmaterial aus der Zeit vor 160000 Jahren zeugen von dieser sehr alten Besiedlung. Aber wie diese Bewohner der Höhle ihre Umgebung sahen, wie sie die Natur um sich herum benannten, wissen wir nicht.1

Als die ersten Europäer in Südafrika landeten, trafen sie dort Menschen, die sie Hottentotten und Buschmänner nannten, die sich selbst aber stolz Khoi-Khoin (Menschen) nannten. In vielen Kriegen wurden sie ausgerottet, versklavt, und ihrer Sprache und Tradition beraubt. So wissen wir heute nicht, wie sie die Berge ihrer Heimat nannten, die die holländischen Siedler „Hottentots Holland Mountains“ (die hottentottisch-holländischen Berge nannten). Nur einige Bergnamen erinnern noch an die Namen der Stämme, die die Kolonisatoren dort angetroffen haben: die Outeniqua und die Hawequa Berge zum Beispiel. Was diese Stammesnamen allerdings bedeuten, ist in Vergessenheit geraten. Der Name „Hawequa“ für einen Berg oberhalb von Paarl zum Beispiel, in manchen

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Dokumenten auch „Habekwa“ oder „Obiekwa“ geschrieben, verweist auf einen Khoi Stamm, der in dieser Gegend wohnte. Was dieser Name aber bedeutet ist umstritten, einige Wissenschaftler übersetzen den Namen als „Mörder“, während andere ihn als „Jäger“ übersetzen.2

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Besser steht es da schon um die Namen, die die verschiedenen Bantu-sprachigen Stämme ihren Bergen gaben, auch wenn die Bedeutung des Namens heute schon oft in Vergessenheit geraten ist. Ein Berg heißt auf Zulu und auf Xhosa Intaba, und so heißen die Berge, die wie Speerspitzen einer anrückenden Armee aussehen, auf Zulu Iintaba zoKhahlamba.3

Doch auch heute noch, zehn Jahre nach dem Ende der Apartheid, ist die Landkarte vor allem mit englischen und afrikaansen Namen übersät, Namen, die die Kolonisatoren in die Landschaft eingeschrieben haben. Der Tafelberg oder Table Mountain, also ein Berg, der oben flach wie ein Tisch ist, zwischen 450 und 300 Millionen Jahre alt, ist wohl der auch außerhalb Südafrikas bekannteste, weil er als Wahrzeichen Kapstadts immer wieder im Fernsehen auftaucht.

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Links davon liegt die Teufelsspitze, Devil’s Peak, weil hier angeblich der Teufel mit einem holländischen Matrosen um die Wette raucht, rechts der Löwenkopf, der Lion’s Head, weil die Bergspitze wie ein Kopf über den langgestreckten Löwenrumpf bis zum Signal Hill aufragt. Dieser Signalhügel trägt eine kleine Kanone, die früher das Nahen von Segelschiffen ankündigten, und heute jeweils um 12 Uhr mittags als „Noon gun“ abgefeuert wird.

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Die langgestreckte Bergkette vom Tafelberg über die Zwölf Apostel bis zur südlichsten Spitze der Kaphalbinsel, dem Kap der guten Hoffnung – das die Portugiesen zunächst Kap der Stürme nannten – hat ihren Platz in der Weltliteratur gefunden.

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In den Lusiaden (Os Lusiadas) des Luís Vaz de Camões (1524/6 – 1680), die Vasco da Gamas Fahrt nach Ostindien (1497), eingebettet in eine überwältigende Gesamtschau portugiesischer Geschichte von einem mythologischen Rahmen umschlossen, feiert, sind diese Berge die Heimat des sagenhaften Adamastor, der die portugiesischen Seefahrer auf ihrem Weg nach Indien vor dem prometheischen Frevel, einem unerlaubten Überschreiten der dem Menschen gesetzten Grenzen, warnt. Der portugiesische Dichter war nach einer einjährigen Haftstrafe nach Indien entsandt worden, war Verwaltungsbeamter in Goa, Macao, und in Mocambique. Während der Reise erlitt er Schiffbruch, aus dem er nur das in der Heimat begonnene, jedoch erst in Indien ausgeführte und noch nicht abgeschlossene Manuskript der Lusiaden rettet. Die Kolonisierung verstand er als Ausbreitung des christlichen Imperiums; die Portugiesen sind ihm die von Gott erwählten Nachfolger der Römer.

Die Prophezeiungen des Adamastor lesen sich auch heute noch wie ein Katalog der Ängste der Kolonisatoren angesichts eines fremden und feindlichen Landes:

Die Seefahrer werden Schiffbruch erleiden und an diesem fremden Strand ihre Kinder vor Hunger sterben sehen, rohe Kaffernhände werden den vornehmen Damen nach einem langen und beschwerlichen Marsch über heißen Sand die Kleider vom Leibe reißen und ihre kristallenen Glieder den Elementen preisgeben. Und schließlich werden sie alle in der heißen unversöhnlichen Steppe sterben. Dieser Adamastor spielt in der südafrikanischen Literatur bis heute eine Rolle, bis hin zu André Brink’s „The first life of Adamastor“. [„Das erste Leben des Adamastor“].

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Nach den Portuguiesen kamen die Engländer und Holländer am Kap vorbei, die Tafelbaai wurde zur Poststation, wo man unter einem Stein Briefe für andere Schiffe hinterlegen konnte, die auf dem Heimweg waren und sie in Europa ablieferten, aber es waren die Holländer, die in der Table Bay unter dem Tafelberg eine Zwischenstation für ihre Segelschiffe auf dem Weg nach Ostindien einrichteten, und die Siedler, die hier in Kapstadt wohnten, und nach und nach in einigen blutigen Kriegen die Buschmänner und Hottentotten ausrotteten oder versklavten, begannen sich bald auszubreiten.

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Am Fuße der Hottentotsholland-Berge, einem damals fast unüberwindlichen Hindernis für die Ochsenwagen der Siedler liegt, 58 km von Kapstadt entfernt, ein markanter Berg in der Form einer riesigen granitenen Perle, der dann auch auf Holländisch Paarl genannt wurde. Auch das kleine Städchen am Fuße dieser riesigen Granitkuppel an den Ufern des Bergrivier heißt Paarl und liegt an der Hauptstraße nach Norden, in den Transvaal, die von Paarl aus durch die du Toits Kloof durch die Berge führt. Diese Granitkuppel ist der Rest eines Himalaya-hohen Gebirges, das vor ungefähr 600 Millionen Jahren entstand, als die verschiedenen Teile Afrikas, Südamerika, die Antarktis, Indien, Australien und Neuseeland zu einem Riesenkontinent namens Gondwana verschmolzen. Heute sind von diesem Gebirge nur noch die tiefsten Wurzeln erhalten, an den meisten Stellen ist es von späterem Tafelbergsandstein überdeckt. Der Paarlberg ist ein geologisches und botanisches Naturreservat. Paarl ist für die Geschichte Südafrikas ein bedeutsamer Ort, und das afrikaanse Sprachmonument auf dem Paarlberg erinnert daran, daß hier der bisher verachtete lokale kreolisierte Dialekt des Holländischen, wie ihn zunächst die verachteten Sklaven sprachen, zur Schriftsprache Afrikaans aufgewertet wurde.

Schon von Kapstadt aus sieht man über die Kapfläche hinweg die Hottentots-Holland- Berge. Der Name dieser Bergkette weist schon daraufhin, daß hier die Khoikhoin sich länger halten konnten, als die Siedler bereits die ganze Ebene besetzt hielten. Der Name weist aber auch auf die Verachtung hin, die die Siedler für die Ureinwohner des Gebiets hatten: sie nämlich, das bedeutet der Name Hottentotten, hätten gar keine richtige Sprache, sondern nur seltsame Laute, eben hot und tot. Das Fremde, das dem in Südafrika Lebenden nur allzu bekannt ist, daß Menschen „Kaffern“,4 daß ganze Völker mit abwertenden Schimpfnamen bezeichnet werden wie die Khoi Khoin „Hottentotten“ und die Khoi San „Buschmänner“, die Haukhoin (Damara) „Klippkaffern“, ist Teil einer linguistischen Strategie, die in jeder Äußerung den Trennstrich betonen will, der die Herrscher und Eroberer von den Beherrschten absondert. Wie grundlegend diese linguistische Opposition im kolonialen Denken ist, läßt sich bei Hans Grimm nachlesen: „… im Süden des Schutzgebietes galt damals noch die Burengewohnheit, die zwischen Weiß und Farbig einen Unterschied setzt wie zwischen Mensch und Tier, jedenfalls einen ebenso unüberbrückbaren“ (SN14O).5 So nennt der Sergeant in Hans Grimms Erzählung „Dina“ Farbige in einem Atem mit Tieren,6 man ist der Meinung, sie seien „unverständlich“, d.h. dem menschlichen Verständnis unzugänglich. Um ihre Zugehörigkeit zur Natur und zum Tierreich zu betonen, wird ihnen von den Kolonisatoren die Fähigkeit, sich mit Hilfe einer „richtigen“, wirklich menschlichen Sprache zu verständigen, abgesprochen, und ihre Sprache betont in die Nähe tierischer Laute gerückt:

Willem redete dies und das in der Sprache seines Volkes, in irgend etwas, das ein Buschmannsdialekt sein mochte und klang, als wenn der Knabe lebendige Käfer und Grillen und Wespen zusammen in ein Einmachglas gepfercht hat. (SN15)

Einer der markantesten Berge dieser Kette ist der Groot Drakenstein, der Große Drachenfels, so benannt, weil seine Umrisse von Süden her betrachtet tatsächlich wie der Rücken eines riesigen Dinosauriers oder Drachen aussehen. Hinter dem Drachenfels liegt ein geschütztes Tal, in dem etwa 1688 200 französische Hugenotten Zuflucht vor der Verfolgung in ihrer Heimat fanden, und so heißt das Dorf, das sie gründeten, auch heute noch Franschhoek, Französische Ecke, und die meisten Weingüter des Tals tragen französische Namen. Dort wird heute mit der beste südafrikanische Wein und Sekt gekeltert; übrigens gehört eines der Weingüter einem Herrn Achim von Arnim, einem Nachkommen des romantischen Dichters. Nun hat ja schon Goethe gern Kapwein getrunken und Schubart ihn besungen, inzwischen ist er noch besser geworden.

Die Siedler fanden sich in einer Welt, deren Pflanzen und Tiere sie nicht kannten. So nannten sie die bunten Luries Papagaien, und einen Berg bei Stellenbosch den Papagaiberg, obwohl es richtige afrikanische Papagaien erst sehr viel weiter im Osten gibt. Ein kleiner Berg in der Nähe Kapstadts heißt Tygerberg, Tigerberg, obwohl es natürlich in ganz Afrika keine Tiger gibt: es waren vielmehr Leoparden, die man da sah, und Leoparden gibt es bis heute noch in den Bergschluchten der Hottentotshollandberge, obwohl man schon sehr viel Glück haben muß, diese nächtlich scheuen Tiere, die sich vor den gewehrbewaffneten Farmern gut verstecken, zu Gesicht zu bekommen.

Die Umgebung von Kapstadt sieht heute gar nicht „afrikanisch“ aus, aber als die Siedler hier ankamen, gab es hier noch viele wilde Tiere, so auch Flußpferde, die, nachdem sie völlig ausgerottet worden waren, heute wieder in einem kleinen See mitten in Kapstadt frei leben.

Der größte Teil Südafrikas sieht ganz anders aus als das Westkap, das zumindest im Winter viel Regen abbekommt und daher mit seinem frischen Grün von den zumeist steppenartig braunen Inneren des Landes absticht. Der größte Teil Südafrikas ist ein zwischen 800 und 2000 Meter hohes Plateau, nach außen hin wie ein Teller leicht aufgewölbt, und die beeindruckendsten Berge Südafrikas liegen an diesem Tellerrand, wo das Hochplateau zu den schmalen Ebenen am Meer hin abbricht.

Am trockenen Westrand dieses Tellers liegen die Cedarberge, benannt nach den südafrikanischen Zedern, die allerdings schon fast völlig abgeholzt sind und heute wieder mühsam angepflanzt werden müssen. Wie die wertvollen Gelbhölzer der Südküste wurden sie nicht nur zum Hausbau und zur Möbelherstellung geschlagen, sondern wurden auch über tausend Kilometer weit zu den Goldminen im Transvaal verfrachtet, wo sie als Stempel die unterirdischen Gänge durch das Gestein offenhalten sollten.

Aus der langen Kette der Berge an der West- und der Südküste entlang ragt der Winterberg heraus, auf dem im Winter immer Schnee liegt. Wie schwierig die Überwindung dieser Bergbarriere einmal war, bevor ein Tunnel unter dem du Toits Kloof das Reisen erleichterte, zeigen die schwierigen Paßstraßen über die Bains Kloof, Du Toits Kloof, und heute noch der Paß hinter De Doorns, den „Dornen“, der dann endgültig auf die Höhe der Karroo, der steppenartigen flachen Landschaft auf dem Plateau, erreicht, wo vor 65 Millionen Jahren noch Dinosaurier durch Sümpfe und Flußebenen gewandelt sind, ihre Knochen liegen noch herum, man muß sie nur finden.

Diese Struktur setzt sich nach Norden hin in Namibia fort. Auch hier finden wir eine bis zu 1200 m, anfangs sanft, dann meist steil ansteigende Terrassen-Landschaft, die sich ungefähr 300 km vom Meere binnenwärts zu senken beginnt. Im Innern befinden sich vereinzelt und unregelmässig verteilt zahlreiche Gebirgszüge, Kuppen und Bergreihen, die um mehrere 100 m über die durchschnittliche Landesoberfläche emporragen (Gneis und Granit). Im Süden das 2000 m hohe Karasgebirge, zwischen Rehoboth und Windhuk das Auasgebirge (2481 m hoch), weiter nördlich der Omatakoberg (2680 m hoch). Nach Osten fällt die Hochebene zu der im Innern 500 m tiefer gelegenen Kalaharisteppe ab.7

An der Ostküste liegen Berge wie uMjomla, Iintaba zeNkonkobe, benannt nach einem Busch, der dort wächst, Intaba yeNgele, der „Hahnenkamm-Berg“ in der Nähe von Kokstad. Der kalte Winterwind kommt immer vom Iintaba zeNkonkobe, so mein Informant. Im Ostkap liegen die als unberührte Berglandschaft und Erhohlungsgebiet berühmten Amatola, oder wie sie korrekt auf Xhosa heißen, die Iintaba zakwaMathole. Dort, an der Quelle des Keiskama River, iXesi, in der Ciskei spielten sich entscheidende Kämpfe im Freiheitskampf der Xhosa gegen die Engländer ab, und dort ist auch der Berg der Alten Männer, der Ahnen, der Geister der Vorfahren, Intaba kaNdoda, wo Sebe einen Schrein errichtete. Dieser Berg hat bis heute eine äußerst wichtige Rolle im spirituellen Leben der Xhosa. Ganz in der Nähe lebte auch der berühmteste Xhosa Dichter, Mqhayi, in seinem Haus eNtabozuko.

Besonders beeindruckend sind im Osten des Landes die Drakensberge, so, als Drachenrücken und nicht als Speerspitzen einer anrückenden Armee sahen die ersten Trekker, die um 1834 ins Landesinnere zogen, diese Bergkette zwischen Lesotho und Natal. Deren höchster Berg ist mit 3482 m der Thabana Ntlenyana. Lesotho ist das einzige Land der Welt, das mit seinem gesamten Staatsgebiet über 1000 m hoch liegt. Der Oranje, Südafrikas längster Strom, entspringt in den Maloti Mountains im nördlichen Zentral-Lesotho. Nach Westen senkt sich das Land zu einem fruchtbareren Hochplateau. Das am dichtesten bevölkerte Gebiet ist das Tal des Caledon-Flusses, der die Nordwestgrenze des Landes bildet. Das Klima ist gemäßigt warm mit stärkeren Niederschlägen und Temperaturschwankungen in den Hochlagen. Antilopen, Hasen und Reptilien sind regionaltypische Tiere. Die Briten, 1868 vom Basuto-König Moshoeshoe I. zum Schutz vor den Buren ins Land gerufen, dekretierten 1910, daß ihre drei Protektorate Basutoland, Betschuanaland (heute Botswana) und Swasiland Teil der gerade gegründeten „Union von Südafrika“ werden sollten – wenn die einheimische Bevölkerung dem zustimme. Doch deren Häuptlinge wollten zumindest politisch selbständig bleiben und widerstanden allen Verlockungen und Drohungen des reichen Nachbarn.

Im Winter liegt auf den Gipfeln der „Drachenberge“ Schnee. Einer der Berge, iNunge, erhielt seinen Namen von einem Ereignis aus der Geschichte des Zuluvolkes: Der Häuptling Dingaan, von Shaka Zulu ausgesandt, verfolgte einen der Zulu Krieger und Unterhäuptlinge, Madzikane von den Bhacas, in die Berge. Aber er mußte seine Verfolgung aufgeben, denn, so heißt es in der Legende, nachdem Madzikane seine Männer verzaubert hat, veränderte sich das Wetter, es schneite heftig auf der Seite des Berges, wo Dingaan sich befand und viele seiner Männer erfroren.

In den Tälern fließen klare Flüsse, in denen man Forellen ausgesetzt hat. Die fühlen sich hier sehr wohl und haben die einheimischen Fischarten verdrängt. Große Teile der Bergkette auf der Natalseite sind heute Naturschutzgebiet. Nach einem zünftigen Marsch kann man bis auf Giant’s Castle (dem Riesenschloß) hinaufsteigen und die Bushman’s Caves – Höhlen mit rund 6.000 Jahre alten Felsmalereien erkunden, wo man in den Zeichnungen Tiere erkennen kann, die gejagt wurden. Diese Malereien sind sogenannte Trance-Malereien, während schamanistischer Rituale gezeichnet und nur als Teil dieser Rituale wirklich verständlich. An die Tatsache, daß die Basotho von französischen Missionaren bekehrt wurden, erinnert der Bergname Mont aux Sources, der Berg der Quellen.

Wenn wir dem Plateau-Abbruch nach Norden folgen, kommen wir zum Piggs Peak, wie in der Kolonialzeit üblich, nach einem britischen Offizier benannt und zu den Barberton Mountains: dort finden wir einen der ältesten Felsen der Welt, die Moodies Series, der über 3,5 Milliarden Jahre alt ist. Damit sind wir im Osttransvaal oder, wie die Provinz jetzt heißt, in Mpumalanga, dem Land zum Aufgang der Sonne hin. Namen wie Bergwaters und Waterval Boven weisen daraufhin, daß es hier am Berg mehr regnet als auf dem Hochplateau, und ein Name wie Graskop, daß das Gras hier grün ist. In einem Land wie Südafrika, das weitgehend von Trockensteppen und Halbwüsten bedeckt ist, ist Wasser immer noch das Aufregendste an der Landschaft. Auch die Waterberge im Nordtransvaal haben ihren Namen von dem lebensspendenden Naß. Die vielen Namen auf -fontein, wie zum Beispiel Bloemfontein, erinnern daran wie wichtig Quellen für das Überleben der Siedler war.

Wenn man, wie die meisten Touristen von Johannesburg aus zum Krugerpark fährt, verändert sich die Landschaft rasch, je weiter man nach Osten kommt. Aus der flachen Hochebene gelangt man in die schroffe Bergwelt der Drakensberge von Mpumalanga, die als nordöstlicher Teil des Randschwellengebirges das Inlandsplateau (Highveld) von der im Osten vorgelagerten Tiefebene (Lowveld) abgrenzen. Entlang der spektakulären Abrißkante (Escarpment) verläuft die sogenannte „Panorama Route“, ein landschaftlicher Höhepunkt jeder Südafrika-Reise. In den Weiten des Lowvelds bildet dann der Kruger National Park eines der größsten Wildreservate der Erde.

Wer Namen gibt, der nimmt auch symbolisch Besitz von der Landschaft. Mit diesen Symbolen verankern sich die Bewohner in der Erde, die durch den Namen zur „Heimat“ wird, zum Bekannten und Benannten, dem Ort, wo man sich auskennt, wo man Berge, Täler, Flüsse, Tiere und Pflanzen beim Namen nennen kann. Auf diesem Benannten und Bekannten ist alle menschliche Tätigkeit eingeschrieben, und von ihm, dem Boden, leben wir, er ist der Ursprung unserer Produktion und daher ein Objekt des Begehrens. Heute, in der postkolonialen Zeit werden Stimmen laut, die das geraubte Land zurückfordern, besonders schrill im Augenblick in Zimbabwe. Aber auch in Südafrika gibt es diejenigen, die der neuen Ordnung so recht nicht trauen, solange sich eben am Besitz des Landes so wenig verändert. Dieser Wunsch, daß Afrika zurückkehre, mayibuye Afrika, der Schlachtruf des African National Congress, wird auch auf der symbolischen Ebene laut, das Verlangen, daß die fremden Namen der Kolonisatoren wieder durch die eigenen in den einheimischen Sprachen ersetzt werden, damit sich wieder heimisch fühlen kann.

 


LITERATUR

D. Livingstone, Missionary Travels and Researches in South Africa, 1857 (1912).

Deutscher Kolonial-Atlas mit Jahrbuch, herausgegeben von der Deutschen Kolonialgesellschaft. Berlin 1905.

Gunner, Liz (Hrsg.), Musho! Zulu popular praises. Transl. and ed. by Liz Gunner. East Lansing, Mich.: Michigan State Univ. Press 1991.

Hans Grimm, Südafrikanische Novellen, München: Langen-Müller (1913).

Henry Wenden, Tropenkoller. Ein Kolonial-Roman, Leipzig 1904.

Mail and Guardian, 8. Februar 2001.

Nienaber, GS und PE Rapier, Toponymica Hottentotica. Pretoria: HumanitasRGN 1977.

Poulos, George; Bosch, Sonja E., Zulu Muenchen: LINCOM Europa 1997.

Raum, Otto F., The social functions of avoidances and taboos among the Zulu. Berlin: de Gruyter 1973.

Webb, Colin de B. (Hrsg.); [Stuart, James] The James Stuart archive of recorded oral evidence relating to the history of the Zulu and neighbouring peoples. Ed. and transl. by C. de B. Webb. Pietermaritzburg: Univ. of Natal Press 1982.

Winwood Reade, The Martyrdom of Man, London: Thinker’s Library 1872.

Ziervogel, Dirk; Louw, Jacobus A.; Taljaard, Petrus C., A handbook of the Zulu language. Pretoria : van Schaik 1985.


 

ANMERKUNGEN

1 190years of human occupation. Mail and Guardian, 8. Februar 2001. Diese Daten werden demnächst in verschiedenen wissenschaflichen Publikationen erscheinen und müssen noch verifiziert werden. Falls sie anerkannt werden, dann wäre die Border Cave die älteste Stätte an der moderne Menschen gewohnt haben, und würde dann für eine World Heritage Site nominiert werden. Im Augenblick wird der genaue Ort der Höhle noch geheim gehalten.

2 GS Nienaber und PE Rapier, Toponymica Hottentotica. Pretoria: HumanitasRGN 1977.

3 Für die Auskünfte zu den einheimischen Bergnamen danke ich Abner Nyamende vom Department of African Languages, University of Cape Town.

4 1 ‚Kaffir‘, ‚Kaffer‘, ‚Caffre‘, eine Korruption des arabischen ‚kafir‘ = ‚Ungläubiger‘ war selbst bereits ein Anzeichen der Grenze zwischen den Rassen. Von den Schwarzen wurde das Wort von Anfang an als „Schimpfwort“ verstanden. Vgl. D. Livingstone, Missionary Travels and Researches in South Africa 1857 (1912), p.145.

5 SN = Hans Grimm, Südafrikanische Novellen, München: Langen-Müller (1913)

6 Winwood Reade sprach die in Kolonialistenkreisen allgemein akzeptierte Meinung aus, wenn er die Hottentotten „a dwarfish race who have restless, rambling, ape-like eyes“, nannte. Ihr Name ging in die englische Sprache als Synonym für ‚Idiot‘ und ‚Untertan‘ ein. Winwood Reade, The Martyrdom of Man, London: Thinker’s Library 1872. Ebenso krass läßt Henry Wenden eine seiner Gestalten die aufständischen Schwarze als bloß ‚jagdbare‘ Tiere behandeln: „[…] er hatte eine dunkle Vorstellung, als ob diese armen Wilden gar nicht so rechte Menschen wären, sondern mehr eine Art höherer Tiere, etwa wie Löwen oder Tiger oder ähnliche Bestien, auf die man nur einfach Jagd zu machen brauchte.“ Henry Wenden, Tropenkoller. Ein Kolonial-Roman, Leipzig 19O4, S.81.

7 Deutscher Kolonial-Atlas mit Jahrbuch, herausgegeben von der Deutschen Kolonialgesellschaft. Berlin 1905, S.11f.